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Orgo-Life the new way to the future Advertising by AdpathwayKommt die Wehrpflicht – und wenn ja, welche? Union und SPD streiten über die Frage, wie die Personalnot der Truppe gelöst werden kann. In Bundeswehrkreisen gibt es ein offenes Geheimnis.
Die Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht nimmt Fahrt auf – parteiübergreifend. Auch der ehemalige Bundesaußenminister und Grünen-Politiker Joschka Fischer hat sich in einem Interview nun für die Rückkehr der Wehrpflicht ausgesprochen und seine frühere Ablehnung bereut. "Wenn wir abschreckungsfähig werden wollen, wird das ohne eine Wehrpflicht nicht gehen", so Fischer zum "Spiegel".
Im politischen Berlin gärt die Diskussion schon seit Längerem – und entfaltet im Vorfeld des Nato-Gipfels Ende Juni eine neue Dynamik. Zwar hatten Union und SPD sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, zunächst einen freiwilligen Wehrdienst einzuführen. Doch die angespannte Sicherheitslage in Europa und Russlands fortgesetzter Kriegswille scheinen den Handlungsdruck auf die Politik zu erhöhen. Die Rufe nach einer Rückkehr der Wehrpflicht werden lauter.
Doch wie ernst sind diese Forderungen zu nehmen? Muss Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sein Wehrdienst-Modell überdenken? Und werden am Ende womöglich nur junge Männer rekrutiert – oder auch Frauen? Der Überblick.
Die Ausgangslage: Russlands Bedrohung
Die Warnungen vor Russlands Expansionsdrang sind nicht neu. Und doch stimmen die jüngsten Äußerungen von BND-Chef Bruno Kahl nachdenklich. Kahl sagte in einem Interview in Bezug auf die russische Führung: "Wir sind sehr sicher und haben dafür auch nachrichtendienstliche Belege, dass die Ukraine nur ein Schritt auf dem Weg nach Westen ist." Es gebe in Moskau Menschen, die "gerne testen" würden, ob der Nato-Bündnisfall funktioniere.
Mit dem Nato-Bündnisfall meint Kahl die Bereitschaft der Nato-Partner, zusammenzustehen, falls ein Nato-Land angegriffen wird. Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump wächst in vielen europäischen Hauptstädten die Sorge, ob die USA wirklich bereit wären, einem Land wie Estland militärisch beizustehen, sollte Russland einen Grenzkonflikt provozieren. Deutsche Sicherheitsbehörden weisen bereits seit einiger Zeit auf die massiven Aufrüstungsbemühungen des Kremls hin, die auf Vorbereitungen auf einen größeren Krieg hindeuten.
Die gesetzte "Frist" ist 2029: Bis dahin wird der Kreml angeblich in der Lage sein, seine Streitkräfte gegen Nato-Partner einzusetzen. Die Jahreszahl basiert auf internen Einschätzungen, ist aber politisch gesetzt: Wann genau Russland zuschlägt und ob überhaupt, kann niemand vorhersehen. Die Zahl 2029 soll daher auch innenpolitische Wirkung entfalten und den Handlungsdruck erhöhen. Denn klar ist: Bis dahin muss in Deutschland noch einiges geschehen. Die Bundeswehr ist noch ein ganzes Stück von ihrem Ziel entfernt, einsatzbereit und abschreckungsfähig zu sein.
Neben Ausrüstungsmängeln und einem trägen Beschaffungswesen ist das größte Problem der Bundeswehr das Personal. Die Sollgröße der Bundeswehr beträgt 203.000 Soldatinnen und Soldaten, doch sind rund 20.000 Dienstposten seit Jahren unbesetzt. Auch die Reserve verfügt mit rund 40.000 aktiven Reservisten nur über einen Bruchteil ihrer benötigten Kräfte.
Wie groß die Personallücke der Bundeswehr tatsächlich ist, hat Verteidigungsminister Boris Pistorius im vergangenen Jahr selbst beziffert: Demnach bräuchte Deutschland rund 460.000 Kräfte (200.000 Soldaten und 260.000 Reservisten), um seinen Beitrag zur Bündnisverteidigung zu leisten. Also fast eine Verdoppelung der heutigen Zahlen.
Die Personalnot wird durch das neue Aufrüstungsprogramm der Nato noch verschärft. Auf dem Nato-Gipfel Ende Juni in Den Haag will die Verteidigungsallianz ihren Mitgliedsstaaten neben neuen Quoten für Rüstungsausgaben wohl auch neue Fähigkeitsvorgaben machen. Pistorius machte bereits vergangene Woche öffentlich, was voraussichtlich auf Deutschland zukommt: Um rund 50.000 bis 60.000 Soldaten müsse die reguläre Truppe wachsen – also das Dreifache der 20.000 Dienstposten, die die Bundeswehr seit Jahren nicht besetzen kann.